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📅 Veröffentlicht: 21. März 2025
Die Stadtwerke Görlitz als Teil der Veolia Gruppe und der polnische Fernwärmeversorger SEC Zgorzelec haben eine Blaupause für die klimaneutrale Fernwärmeversorgung der Zukunft entwickelt. Ihr Projekt „United Heat“ kombiniert vielfältige Ressourcen und innovative Erzeugungstechnologien, um künftig die Wärmeversorgung zu dekarbonisieren und vor allem auch um sie zu jeder Zeit sicherzustellen.
Dekarbonisierte Wärmenetze spielen für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 eine zentrale Rolle. Insbesondere in urbanen Gebieten steigt aufgrund dieser Anforderungen – so die Prognose des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz – auch die Bedeutung von Fernwärme. Wie aber kann eine Fernwärmeversorgung aussehen, die komplett klimaneutral ist? Welcher Energiemix ist geeignet? Und worauf kommt es an, damit konstant ausreichend Wärme zur Verfügung steht?
Mit diesen Fragen haben sich die Stadtwerke Görlitz als Teil der Veolia Gruppe und der polnische Fernwärmeversorger SEC Zgorzelec intensiv auseinandergesetzt. Denn gemeinsam planen die beiden Projektpartner den grenzübergreifenden Zusammenschluss der Fernwärmenetze von Görlitz und Zgorzelec und die komplette Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Dabei zieht sich ein Gedanke durch das gesamte Konzept: die Einbindung vielfältiger Quellen anstelle der einseitigen Abhängigkeit von einem Energieträger.
„Die Dekarbonisierung des Wärmenetzes erfordert eine hohe Flexibilität, damit jederzeit die Versorgung aller Kunden sichergestellt ist. Deshalb setzen wir in unseren Planungen auf einen Mix aus verschiedenen erneuerbaren Energieträgern, die Nutzung von Wärmespeichern und die Einbindung vorhandener Ressourcen“, erläutert Sacha Caron, Prokurist und Vertriebsleiter bei den Stadtwerken Görlitz. Auf vorhandene Best-Practice-Beispiele kann sich das Planungsteam unterdessen nicht stützen – es gibt bisher schlichtweg kein Fernwärmenetz dieser Größenordnung, das rein auf erneuerbare Technologien setzt.
Vielmehr schaffen die Projektpartner eine Blaupause für die zukunftsorientierte kommunale Wärmeversorgung mittelgroßer Städte und geben wertvolle Anstöße für deren Wärmeplanung. Schließlich müssen im Zuge des Wärmeplanungsgesetzes bestehende Wärmenetze bereits bis 2030 zu 30 Prozent aus erneuerbaren Energien, aus Abwärme oder aus einer Kombination von beiden betrieben werden. Und für neue Wärmenetze gilt: Sie müssen ab März 2025 zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent der jährlichen Nettowärmeerzeugung mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder aus einer Kombination hieraus gespeist werden.
Resiliente Wärmeversorgung
Die grenzüberschreitende Verbindung der Fernwärmenetze ermöglicht es den Projektpartnern in der Europastadt, die Wärmeversorgung auszugleichen, die unterschiedlichen Wärmepotenziale bedarfsgerecht zu nutzen und die Deckung der Spitzenlast zu optimieren. Damit steht „United Heat“ für eine dekarbonisierte und gleichzeitig resiliente Wärmeversorgung auf beiden Seiten der Neiße.

Für das zukünftige Fernwärmenetz werden 12 km neue Fernwärmeleitungen entstehen. Die Gesamtlänge des Netzes auf deutscher Seite wird nach Fertigstellung 45 km betragen.
Regionale Ressourcen
Bei der Planung des Energieträgermixes haben die Projektverantwortlichen sämtliche Wärmequellenpotenziale in der Region genau analysiert. Sie haben die geografischen und geologischen Gegebenheiten unter die Lupe genommen, die Industrie- und Infrastruktur betrachtet und geprüft, ob und wo alternative Brennstoffe vorhanden sind – unterstützt von der bereichsübergreifenden Veolia Expertise. Das Unternehmen versteht es, vorhandene Ressourcen für unterschiedliche Anforderungen zu nutzen und verschiedene Technologien für die Energiegewinnung zu kombinieren.
Als geeignetes Gewässer für die Nutzung einer Seewasser-Wärmepumpe (SWP) wurde der Berzdorfer See im Süden von Görlitz identifiziert. Die Wärmepumpe ist mit einer Leistung von ca. 12 MW geplant, um dem See Wärme zu entziehen und diese in das Fernwärmenetz einzuspeisen. „Mit der Entscheidung für die Seethermie war schnell klar, dass wir alle vier bisher getrennten Fernwärmenetze miteinander verbinden, damit die Wärme aus dem Süden der Stadt in den Norden und über die Grenze gelangen kann und wir entlang dieser Trasse weitere Technologien einbinden können“, so Sacha Caron.

Thermografie zur Wärmeverteilung in einem See (Symbolbild)
Sommerwärme für den Winter
Im Nordosten der Stadt Görlitz sieht das Konzept eine Freiflächen-Solarthermieanlage mit ca. vier Hektar Kollektorfläche vor. Damit die vor allem im Sommer erzeugte Wärme dann zur Verfügung steht, wenn sie gebraucht wird – nämlich im Winter – ist die Anlage an einen saisonalen Erdbecken-Wärmespeicher (Pit Thermal Energy Storages [PTES]) mit einem Volumen von ca. 300 000 m³ und eine Hochtemperaturwärmepumpe mit einer Leistung von ca. 4,5 MW gekoppelt. So kann während des Sommers die Solarthermie das Wasser im Wärmespeicher erhitzen. Im Winter kann dann Wärme mit der erforderlichen Vorlauftemperatur für das Fernwärmenetz bereitgestellt werden. Ergänzend ist zudem ein Elektrodenkessel mit einer Leistung von ca. 6 MW geplant.
Energie aus dem Klärwerk
Weitere Bausteine im erneuerbaren Energiemix sind Abwasser und Abwärme – beides vorhandene Ressourcen, die nutzbar gemacht werden können. Die geplante Fernwärmetrasse verläuft ohnehin über das Gelände des Klärwerks im Görlitzer Norden. Und: Mit der Nutzung von Abwasser als Ressource kennt sich Veolia bestens aus. Zur Ökostromerzeugung nutzt das Unternehmen das Klärgas aus der Görlitzer Anlage bereits seit vielen Jahren und versorgt damit zudem regionale Haushalte. Durch kontinuierliche Optimierung kann das energieautarke Klärwerk künftig auch einen Beitrag zur Fernwärme leisten. In der neuen Fernwärmeplanung werden die bestehenden, mit Klärgas betriebenen BHKWs mit einer thermischen Leistung von ca. 240 kW in das Fernwärmenetz eingebunden, ergänzt durch eine Abwasserwärmepumpe mit einer Leistung von ca. 2,5 MW.
Zusätzlich planen die Projektpartner hier den Bau einer Wärmeübertragungsstation für die grenzüberschreitende Wärmeübergabe. Diese Station ermöglicht einen bidirektionalen Wärmetransfer: Im Sommer kann Wärme von Deutschland nach Polen, im Winter von Polen nach Deutschland fließen. Die beiden Netze bleiben dabei hydraulisch entkoppelt. Das bedeutet, dass sich das Wasser der Wärmenetze in Polen und Deutschland nicht vermischt. Der Wärmeaustausch erfolgt über einen Wärmeübertrager, sodass unterschiedliche Temperaturen in den Netzen möglich sind. Zudem kann die Wärme je nach Bedarf in beide Richtungen fließen. Die dafür notwendige Fernwärmeanschlussleitung soll unter die Neiße gelegt werden.
Heizstoff Holz
Zur Deckung der Spitzenlast im Winter ist schließlich in der Nähe des Bahnhofs auf dem Gelände von Siemens Energy in Görlitz ein Biomasseheizwerk mit Holzhackschnitzeln als Brennstoff und einer Leistung von ca. 5 MW geplant.
Die Holzanlage in Görlitz-Weinhübel wird dann genutzt, um eine Nachheizung der Seewasserwärmepumpe zu realisieren. Dies passiert dann, wenn eine hohe Fernwärmenetztemperatur benötigt wird.
Auf polnischer Seite soll ein Großteil der Wärme in einem neuen Biomasseheizwerk mit einer Leistung von ca. 25 MW erzeugt werden, das Holzhackschnitzel als Brennstoff verwendet. Zudem ist in dem an das Heizwerk angrenzenden Gebiet die Installation einer Solarthermieanlage mit thermischem Energiespeicher geplant. Die restliche Wärmemenge wird dann von dem bestehenden gasbefeuerten 12-MW-Heizwerk erzeugt, in dem Biomethan verbrannt wird.
Dass der Anteil von Biomasse in Zgorzelec deutlich höher ist als in Görlitz, hat Gründe: Zum einen wird in Polen eine sehr viel höhere Vorlauftemperatur benötigt als in Deutschland. Und von ihr hängt ab, wie hoch der Anteil alternativer Energieträger an der Wärmeerzeugung sein kann. Es gilt: Je niedriger die Vorlauftemperatur ist, desto höher kann der Anteil sein. Zum anderen unterscheidet sich die Regulierung zwischen Deutschland und Polen. Während in Deutschland Förderprogramme die Biomassenutzung auf 25 Prozent deckeln, gibt es in Polen keine Vorgaben.
Flexibler Mix aus klimaneutralen Energien
Der Zusammenschluss der Fernwärmenetze von Görlitz und Zgorzelec ermöglicht eine bedarfsorientierte Nutzung unterschiedlicher Wärmepotenziale aus einem Mix erneuerbarer Energiequellen. Dies führt zu mehreren Vorteilen:
- Erhöhte betriebliche Flexibilität der Versorgungsunternehmen auf beiden Seiten der Grenze.
- Sicherung der Versorgung durch die effiziente Nutzung gemeinsamer Ressourcen.
- Optimierte Abdeckung von Spitzenlasten und Verringerung der Gesamtkapazität.
- Backup-Optionen durch die Nutzung der Erzeugungsanlagen auf beiden Seiten.
Dieser Zusammenschluss stärkt somit die Effizienz und Zuverlässigkeit der Energieversorgung beider Städte. Folgendende Technologien greifen dabei ineinander:

Biomasse
Standort: Zgorzelec Groszowa (PL)
Biomasse-Heizwerk (HOP), Holzschnitzel
Leistung: ca. 25 MW
Standort: Weinhübel (D)
Biomasse-Heizanlage, Holzschnitzel
Leistung: ca. 5 MW
Standort: Siemens Energy Görlitz (D)
Biomasse-Heizanlage, Holzschnitzel
Leistung: ca. 5 MW

Biogas
Standort: Kläranlage Görlitz Nord (D)
BHKW-Einheiten, die mit Klärgas (CHP) betrieben werden
Leistung: ca. 240 kW

Wärmepumpe
Standort: Berzdorfer See (D)
Seewasserwärmepumpe (HP), Wärmenutzung des Wassers aus dem nahe gelegenen See
Leistung: ca. 12 MW
Standort: Kläranlage Görlitz Nord (D)
Abwasserwärmepumpe (HP), Wärmenutzung des Abwassers
Leistung: ca. 2,5 MW

Biomethan
Standort: Zgorzelec Groszowa (PL)
Gasbetriebenes Heizkraftwerk
Leistung: ca. 12 MW

Solarthermie
Standort: nördliches Stadtgebiet (D)
Solarthermieanlage (ST) mit einer Kollektorfläche von ca. 4 Hektar und Erdbecken-Wärmespeicher (PTES) mit einem Volumen von ca. 300.000 m³ und einer Hochtemperatur-Wärmepumpe.
Leistung: ca. 4,5 MW
Standort: Zgorzelec Groszowa (PL)
Freistehende Solarthermieanlage (ST) im Bereich neben dem Heizwerk inklusive Tank-Wärmespeicher (TTES) mit einem Volumen von 3.000 m3

Power-to-Heat
Standort: nördliches Stadtgebiet (D)
Regionale regenerative Stromerzeuger wie PV-Anlagen und Windkraftanlagen, Strom aus regenerativen Quellen wird beschafft durch Power Purchase Agreements (Stromabnahmeverträge)
Leistung: ca. 6 MW


Mehr Informationen zur aktuellen Entwicklung des Projektes „United Heat“ gibt es hier:
Ihr Ansprechpartner:
Sacha Caron
Vertriebsleiter / Prokurist
Stadtwerke Görlitz AG
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