Die Zielsetzung der Klimaneutralität steht im Mittelpunkt jeder industriellen Herausforderung, insbesondere wenn es um Abwasseraufbereitung geht. Veolia setzt deshalb alles daran, nachhaltige Lösungen für die Reduzierung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen in Abwasseraufbereitungsanlagen zu entwickeln.
Was wäre, wenn Abwasseraufbereitungsanlagen selbst Teil der Lösung für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz wären? Diese energieintensiven Anlagen verbrauchen nach Angaben der International Water Association zwischen 1 % und 3 % der weltweit erzeugten Energie. Doch ihre Rolle befindet sich in einem Umbruch, denn einige Anlagen agieren jetzt als Bioraffinerien.
Herausforderung:
Höhere Energiekosten für Abwasseraufbereitungsanlagen.
Ziel:
Anlagen unabhängig machen und Emissionen reduzieren.
Lösung von Veolia:
Maßnahmen zur Energieeffizienz, Einführung von Mikronetzen und Nutzung von selbst produziertem Biogas.
Ein Solar-Mikronetz auf einer Abwasseranlage in Rialto, Kalifornien
In Kalifornien haben Mitarbeitende von Veolia eine innovative Mikronetz-Lösung entwickelt, die auf der einzigartigen Kombination eines Biogas-Blockheizkraftwerks mit Solarenergie und einem Backup-Batteriespeicher basiert.
Die Stadt Rialto liegt östlich von Los Angeles; die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung für 100.000 Menschen liegen im Verantwortungsbereich von Rialto Water Services. Im Jahr 2013 unterzeichneten die Stadt Rialto und Veolia einen Konzessionsvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Letztes Jahr wurde im Rahmen dieses Vertrags die Mikronetz-Lösung angekündigt. „Veolia arbeitet gemeinsam mit der Kundschaft daran, zum Schutz unserer Ressourcen kreative neue Wege zu gehen und mutig zu investieren“, erklärt Frédéric Van Heems, Senior Executive Vice President von Veolia in Nordamerika. „Die Abwasseraufbereitungsanlage in Rialto, Kalifornien, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kommunen positive Schritte hin zu einer grüneren Zukunft unternehmen können, indem sie auf Energieeffizienz und eine Mikronetz-Energieversorgung setzen.“
Der Abschluss des Projekts ist für 2024 anvisiert und das Budget beläuft sich auf 15 Millionen US-Dollar – finanziert ohne jegliche kommunale Steuererhöhung. Stattdessen werden die Kosten in dem 30-Jahres-Vertrag abgedeckt. Zum Projekt gehört eine 360-kW-Kolbenmaschine. Betrieben wird sie mit Biogas, das mittels anaerober Gärungstechnologie aus der Abwasseraufbereitung generiert wird. Weiterhin wird es ein 1,6-MWh-Photovoltaiksystem und eine 2,5-MWh-Lithium-Ionen-Batterie mit einer Laufzeit von 4 Stunden geben. Die Anlage kann daher autonom laufen und auch bei Stromausfällen in Betrieb bleiben. Außerdem lässt sich überschüssige Energie an das Versorgungsnetz verkaufen, was zusätzliche Einnahmen generiert. Das System funktioniert ohne Erdgas und spart jedes Jahr 600 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ein. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 130 Millionen Autos innerhalb eines Jahres.
Aber das sind noch nicht alle ökologischen Vorteile, so Frédéric Van Heems: „Neben den positiven Auswirkungen auf Energieeffizienz und Resilienz leisten wir damit einen Beitrag zum Schutz wichtiger natürlicher Ressourcen in der Region. Die Abwasseraufbereitungsanlage befindet sich neben einem ökologisch sensiblen Gewässer, in dem eine gefährdete Saugkarpfenart lebt.“
„Die Energiekrise stellt für uns auch eine Geschäftschance dar, denn wir können unsere Kapazitäten zur Produktion von Biomethan ausbauen.“
Geneviève Leboucher, Senior Vice President Wasser- und Abwasserdienstleistungen bei Veolia
Grüne Energie aus Klärschlamm in Kubratovo, Bulgarien
In der Nähe der bulgarischen Hauptstadt Sofia betreibt Veolia eine der größten Abwasseraufbereitungsanlagen in der Balkanregion. In der Vergangenheit verbrauchte die Anlage zwischen 16.000 und 24.000 MWh Strom pro Jahr.
Im Jahr 2009 wurden Kraft-Wärme-Kopplungssysteme installiert, die das Biogas aus anaerober Gärung nutzen und im Jahr 2021 auf diese Weise 23.600 MWh generierten. In Kombination mit den 2017 eingeführten Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs produzierte die Anlage über den betrieblichen Bedarf hinaus einen Überschuss von 16 % grüner Energie. „In Mitteleuropa wurde Energie bisher üblicherweise mit Kohle und Gas produziert“, sagt Philippe Guitard, Senior Executive Vice President von Veolia in Mittel- und Osteuropa. „Aufgrund des Kriegs in der Ukraine sind die Energiepreise jetzt sprunghaft angestiegen. Durch unsere Unabhängigkeit in der Versorgung stellen diese höheren Kosten für uns kein Problem dar, sondern wir können überschüssigen Strom an das Netz verkaufen und unsere Fahrzeugflotten mit Biokraftstoff versorgen. Methan ist ungefähr 30-mal so klimaschädlich wie CO2. Eine solche Wasseraufbereitung, die es in Biogas für die Stromerzeugung umwandelt, ist eine sehr intelligente Lösung, die einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.“
1 – 3 %
beträgt der Anteil von Abwasseraufbereitungsanlagen am globalen Energieverbrauch
(Schätzung der IWA, International Water Association).
7 TWh
Energie verbraucht Veolia pro Jahr, davon 70 % für Wasseraufbereitung und Abwasserdienstleistungen.
28 – 34
Global warming potential (GWP) beträgt das Treibhauspotenzial von Methan über 100 Jahre im Vergleich zu Kohlenstoffdioxid, das 84 bis 86 über 20 Jahre erreicht (Quelle: UN).
25%
des in Frankreich genutzten russischen Erdgases könnten durch Energie aus Bioabfall (Grünabfälle und Klärschlamm) ersetzt werden.
Abwasseranlagen generieren Biomethan
Aus strategischer Sicht ist sich Veolia bewusst, dass die Kosten und die Klimafolgen von Abwasseraufbereitungsanlagen reduziert werden müssen. Gleichzeitig muss untersucht werden, ob es effizienter wäre, ein sauberes Biogas aus dem produzierten Methan herzustellen, das in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Laut Geneviève Leboucher, Senior Vice President bei Veolia mit Verantwortung für den Bereich Zugang zu Wasser- und Abwasserdienstleistungen liegt der Stromverbrauch von Veolia bei 7 TWh pro Jahr und kostet 750 Millionen Euro. 70 % davon sind der Wasser- und Abwasseraufbereitung zuzuordnen.
„Alle Regionen, in denen Veolia tätig ist, stehen in Bezug auf die Energiekosten vor denselben wirtschaftlichen Herausforderungen. Und auch der Klimawandel bereitet immer mehr von ihnen Sorgen“, sagt sie. „Im Zuge der Energiekrise haben wir unsere Bemühungen zur Energiereduzierung verstärkt, da wir unsere Kosten im Zaum halten müssen. Aber für uns eröffnet sich damit auch eine Geschäftschance: Es ist Potenzial vorhanden, die Produktion von Biomethan auszubauen und andere Rohstoffquellen für unsere bestehende Aufbereitung zu finden, um die Biomethan-Produktion zu maximieren. Oft wird damit vor Ort Strom und Wärme erzeugt, aber mit Blick auf das große Ganze könnte es effizienter sein, das Gas zu reinigen und für eine anderweitige Nutzung, beispielsweise in Privathaushalten, in das Erdgasnetz einzuspeisen.“
Mit dieser Herangehensweise können mehr von Veolia betriebene Abwasseraufbereitungsanlagen vor Ort bezahlbares und nachhaltiges Gas produzieren, das zum Heizen und Kochen bereitsteht.
„Die Abwasseraufbereitungsanlage in Rialto, Kalifornien, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kommunen positive Schritte hin zu einer grüneren Zukunft unternehmen können, indem sie auf Energieeffizienz und eine Mikronetz-Energieversorgung setzen.“
Frédéric Van Heems,
Senior Executive Vice President von Veolia in Nordamerika
© Veolia Media Library
Drei Fragen an Jean-François Nogrette,
Senior Executive Vice President Frankreich und Sonderabfälle Europa bei Veolia
Sie haben bekanntgegeben, dass die Dienstleistungen von Veolia in Frankreich innerhalb der nächsten fünf Jahre energieunabhängig sein werden. Wie werden Sie dieses Ziel erreichen?
Jean-François Nogrette: Indem wir jeden Aspekt unseres Handlungsspielraums ausnutzen, den unser Fachwissen und unsere Geschäftsbereiche hergeben. Zunächst werden wir unsere eigene Produktion von 100-prozentig lokaler Energie erhöhen – mit 80 % aus der Kreislaufwirtschaft und 20 % aus Solarenergie: Wir installieren Photovoltaikmodule an allen Standorten, an denen dies möglich ist. Wir erhöhen die Produktion von Biogas aus Bioabfall und aus Klärschlamm, der in den Abwasseraufbereitungsanlagen anfällt. Und wir steigern die Energieproduktion aus Ersatzbrennstoffen, die auf nicht recyclingfähigem Abfall beruhen.
Auf diese Weise produzieren wir über zwei Terawattstunden (TWh) Energie. Das entspricht der Menge, die wir brauchen, um den derzeitigen Energieverbrauch unserer Dienstleistungen vollständig abzudecken. Weiterhin planen wir, in den verschiedenen Ländern alle unsere Abfall- und Energieströme zu bündeln, sodass die von uns produzierte Energie zuerst von uns selbst genutzt wird. Das bedeutet, dass uns Preisschwankungen auf dem Energiemarkt in Hinblick auf unsere Energieversorgung und -kosten nichts anhaben können. Nicht zuletzt werden wir unseren Energieverbrauch reduzieren, indem wir alle Geräte mit hohem Stromverbrauch ersetzen. Dies erreichen wir mithilfe der digitalen Tools von Hubgrade und natürlich auf der Grundlage der Erkenntnisse und der operativen Erfahrung unserer Teams vor Ort. So unterstreichen wir auch unser Engagement für das Programm EcoWatt, das von RTE, dem französischen Betreiber des Übertragungsnetzes für Elektrizität, und der französischen Agentur für Umwelt und Energie (ADEME) entwickelt wurde.
Welche Vorteile hat es, Biogas aus Abwasseraufbereitungsanlagen zu nutzen, und in welchem Umfang spielt dieses Verfahren in Frankreich eine Rolle?
Jean-François Nogrette: Laut Schätzungen könnte Frankreich seine Abhängigkeit von russischem Gas um 25 % reduzieren – derzeit ist das Land zu 17 % auf Russland angewiesen –, wenn wir alle Bioabfälle aus der Landwirtschaft und aus lokalen Wasserressourcen für Biomethan nutzen würden. Veolia arbeitet intensiv daran, die in Frankreich produzierte Biogasmenge zu erhöhen, insbesondere für eine Einspeisung in das Gasnetz. Wir haben eine membranbasierte Technologie entwickelt, mit der wir das aus Biogas extrahierte Biomethan reinigen können.
Was kann noch getan werden, um die Infrastruktur in Frankreich weiterzuentwickeln?
Jean-François Nogrette: Es gibt noch viel zu tun. Das Gasverteilernetz nimmt allmählich immer mehr Biomethan auf, doch das Potenzial dieser Entwicklung wird bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
In Frankreich sind nur 15 % unserer großen Abwasseraufbereitungsanlagen mit Faulbehältern für die Produktion von Biogas ausgestattet. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 100 %. Die in Frankreich geltenden Vorschriften verbieten, Klärschlamm aus Abwasseraufbereitungsanlagen mit Grün- oder Lebensmittelabfällen zu mischen. In anderen europäischen Ländern ist das zulässig. Wenn dieses Verbot aufgehoben würde, könnten wir die Menge des in den vorhandenen Faulbehältern produzierten Biogases verdoppeln. Wir müssen schneller vorankommen, wenn wir das Ziel der Regierung erreichen wollen, mit Biogas bis 2050 unabhängig zu werden.
Eine wissenschaftliche und industrielle Partnerschaft für die CO2-Rückgewinnung
Das SIAAP ist das Abwasser-Entsorgungsunternehmen für den Großraum Paris und der größte Dienstleister im Bereich der öffentlichen Abwasserentsorgung in Europa. Das CEA ist die französische Behörde für Atomenergie und alternative Energien. Das Collège de France ist ein wissenschaftliches Institut. Veolia, das SIAPP, das CEA und das Collège de France arbeiten gemeinsam an einem Forschungsprojekt, um CO2, insbesondere von dem Biogas aus Abwasseraufbereitungsanlagen, abzuscheiden und in Methansäure, Methanol und Methan umzuwandeln.
Methansäure kann für die Behandlung von Stickstoff in Abwasseraufbereitungsanlagen genutzt werden und die Energieproduktion noch effizienter machen. Wenn Biomethan verbrannt wird, um Strom zu erzeugen, hemmt der Stickstoff die Verbrennung. Durch Entfernung des Stickstoffs ist es daher möglich, mehr Energie aus dem reinem CO2 zu erzeugen.
Innerhalb der nächsten drei Jahre soll eine Testanlage betriebsbereit sein, die diese Technologie auf die Probe stellen wird. Die Technologie könnte in Abwasseraufbereitungsanlagen Anwendung finden, aber auch in anaeroben Gärungs- und Müllverbrennungsanlagen.